FKT-Online-Seminar: Smart in fünf Schritten – Bestandserhaltung Retrofit oder Erneuerung einer Krankenhaus-TGA

Gebäudeautomatisierung spielt in der EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) sowie im daraus abgeleiteten deutschen GEE (Gebäudeenergiegesetz) eine zentrale Rolle. Aus gutem Grund: Ohne sinnvolle Automatisierung ist die zukünftig erforderliche Energieeffizienz als Beitrag zur Klimaneutralität nicht machbar.

Gesundheitseinrichtungen haben diesbezüglich enormen Nachholbedarf. Seit Jahrzehnten steht dem verantwortlichen Technikmanagement – wenn überhaupt – nur rund die Hälfte der für den Erhalt der Infrastruktur erforderlichen Mittel zur Verfügung. Um im veralteten Technikumfeld eines Krankenhauses digitale Tools oder gar KI nutzbringend einsetzen zu können, müssen erst die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit die veraltete Analog- und Schalttechnik für moderne Mess- und Regelsysteme mess- und letztlich ansteuerbar wird. KI funktioniert nur mit Daten, die aktuell wohl kaum ein Krankenhaus zur Verfügung stellen kann.

Gestalten Sie Ihre Systeme offen!

Der Leiter des Studiengangs Integrierte Technologie und Systementwicklung am Campus Minden der Hochschule Bielefeld, Prof. Dr. Oliver Wetter, skizzierte beim FKT-Online-Seminar „Smart in fünf Schritten – Bestandserhaltung, Retrofit oder Erneuerung einer Krankenhaus-TGA“ einen Weg, um Gebäudetechnologie speziell in Krankenhäusern schrittweise auf den Stand der Technik zu bringen. Seine grundsätzlichen Tipps für die technische Zukunft lauteten: „Setzen Sie beim Erneuern auf dezentrale, angepasste TGA mit Elektrizität als Energieträger und auf datenoffene – sprich nicht durch nur einen Hersteller oder Systemlieferanten gekapselte – GA-Systeme.“ Seinen Weg in die smarte Zukunft gliedert er in fünf Etappen:

Starten Sie bei den offensichtlichen Schwachstellen

Im ersten Schritt rät Wetter zu einer pragmatisch ansetzenden offensichtlichen Lokaloptimierung. „Schauen Sie sich Ihr Krankenhaus an, ehe Sie in die Automatisierung einsteigen! Ist die Vorhaltung zentraler Kälte oder von Dampf überhaupt erforderlich bzw. sinnvoll? Prüfen Sie den bedarfsgerechten Einsatz von Heizung, Lüftung, Licht und anderen Energieverbrauchern – Stichwort Nachtabsenkungen! Setzen Sie geschwindigkeitsregulierte Pumpen für die Heizung und optimierte Ventilatoren in der Lüftung ein.“ Die Liste der möglichen rein erfahrungsbasierten Maßnahmen ist lang und bringt oft schon eine erhebliche Energieersparnis.

Aufbau einer sinnvollen Sensorik

Nach dem Motto „You cannot control what cannot be measured“ gilt es im zweiten Schritt, die vorhandene Gebäudeautomatisierung zu überprüfen und notwendige Raum- und Anlagensensoren hinzuzufügen. In vielen Krankenhäuser dient Sensorik augenblicklich in erster Linie dazu, Stromverbräuche von Dritten (Friseur, Kantine, Belegärzten und anderen) vom Eigenverbrauch abzugrenzen – aus energierechtlichen Gründen. Eine durchgehende Sensorik zum Energiesparen ist die Ausnahme. 

„Schauen Sie sich Ihr Krankenhaus auch für diese zweite Etappe auf dem Weg zu einem smarten Betrieb genau an. Effizienzoptimierung ist nur faktenbasiert möglich. Das erfordert eine konsequente Messung aller Medienflüsse an stimmigen Punkten. Versehen Sie Regler, Steller und Strecke mit hinreichend vielen Messpunkten. Wichtig ist eine logische Datenpunktbeschreibung mit entsprechenden Anlagenkennschlüsseln und vor allem eine Dialogfähigkeit der Einzelsysteme. Stellen Sie diese mit den Herstellern sicher. Diese müssen Konnektivität anbieten, werden das aber nicht proaktiv tun.“

Wetter rät weiter: „Überprüfen Sie in diesem Schritt auch den Zustand der vorhandenen GA an sich: Wie alt sind Raum- und Anlagenautomatisierungen und die zugehörige Management- und Bedienebene? Sind alle Komponenten noch lieferfähig und preiswerte Wartungsverträge möglich? Welche Gebäudesystembusse sind verbaut? Sind diese zukunftsorientiert und damit retrofit-fähig? Wie ist die Feldebene gestaltet? Gibt es nur isolierte Server oder bereits ein gut strukturiertes Datenbanksystem?“

In diesem entscheidenden Schritt kommt auch das GEG zum Tragen. Dieses kategorisiert Gebäude und deren Steuer- und Regelverhalten in Effizienzklassen. Eine nicht bedarfsgesteuerte, veraltete GA ist nach EN 15232 (zukünftig ISO 52120) in der Klasse D. Gebäude mit derartigen Systemen müssen gesetzlich gesehen modernisiert werden. Klasse C kann mit Standard-GA-Systemen und -Algorithmen erreicht werden. Klasse B verlangt ein erweitertes GA-System mit speziellen TGM-Funktionen und Klasse A ein hoch energieeffizientes, bedarfsgeregeltes GA-System mit TGM (Technisches Gebäudemanagement). Wo ordnen Sie hier Ihr Gebäude ein? Das GEG 2024 fordert einen Effizienzgrad B und damit eine Kommunikation zwischen den gebäudetechnischen Systemen und Anwendungen auch für Technologien von unterschiedlichen Herstellern. „Selbst wenn das GEG von einer neuen Regierung überarbeitet wird, kommen Sie an einer bedarfsgeregelten Automatisierung ihrer Gebäudetechnik mit TGM-Funktionen nicht vorbei“, sagt Wetter. „An die EPBD ist nämlich auch die künftige Regierung gebunden. Abgesehen davon ist Automatisierung unverzichtbar für energieeffiziente oder klimaneutrale Gebäude.“

Gebäudemodellierung und Systemprüfung

Im dritten Schritt gilt es, auf Basis der Bestandpläne, Datenpunkte sowie Steuer- und Regelstrategien, ein digitales Modell der TGA als sogenannten digitalen Zwilling zu erarbeiten. Das Realgebäude kann dann mit der Idealversion des digitalen Zwillings verglichen, Abweichungen können entsprechend korrigiert werden. Die Beseitigung von auf diese Weise detektierten Steuer- und Regelfehlern verspreche in der Regel eine enorme Energieersparnis, so Wetter.

Flächige Digitalisierung

Basis für jede TGA-Anwendung ist immer das Gebäude selbst. In Schritt 4 gilt es daher das Gebäude flächig zu digitalisieren. Probleme bereitet dabei häufig, dass digitale Pläne völlig fehlen und/oder Änderungen in der Ausführung nicht sorgfältig in die Pläne nachgepflegt wurden. „Die Betreiber der TGA leben so mit fehlerhaften oder unscharfen Gebäudeplänen und können nicht erkennen, wo sich die energieineffizienten Strukturen befinden. BIM (Building Information Modeling) mit digitalen Plänen und konsistenten Metadaten für die Automatisierung wird das hoffentlich ändern. Noch wird die Methode in Deutschland jedoch nicht schlüssig angewandt. Das umliegende Ausland ist teilweise Jahrzehnte weiter“, so Wetter.

Der Beitrag der KI

KI kann im letzten Schritt bei der Optimierung eines Gebäudes und seiner digitalen Zwillinge unterstützen, indem sie zum Beispiel Verschattungen oder Wettereinflüsse vorhersieht oder das komplexe Regelwerk (Brandschutz, Schallschutz, …) überblickt und in die Konzeption oder den laufenden Betrieb mit einfließen lässt. Sie kann durch Erkennen des Gebäudeverhaltens, des Nutzerverhaltens und das Einbinden von Umweltdaten Führungsgrößen optimieren, Steuerungen und Regelungen entsprechend trimmen und bei Abweichungen eine vorausschauende Wartung initiieren. Dazu muss sie aber vorher mit den entsprechenden lokalen und den benötigten Daten und Meta-Daten „aufgeschlaut“ werden.

Das Wichtigste im Überblick

Für das strategische Vorgehen bei der GLT-Erneuerung gab Wetter den Teilnehmenden der Veranstaltung unter anderem folgende Grundregeln mit auf den Weg:

  • Bauen Sie physisch robust und auch Hype-robust!
  • Vermeiden Sie proprietäre Datengrenzen, nutzen Sie stattdessen freien Datenfluss und Konnektivität!
  • Konzipieren Sie Ihre Systeme möglichst einfach und klar!
  • Digitalisieren Sie durchgehend mit sauberen und aktuellen Anlagenkennschlüsseln, BIM-Plänen und Metadaten!

„Erst dann macht in begrenztem und klugem Rahmen die Nutzung von KI Sinn“, schließt Wetter.

Maria Thalmayr

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