FKT-Online-Seminar: Interoperabilität als Treiber der Entwicklung in der Medizintechnik
Vom Schwesternstützpunkt oder Mobile Device aus die Vitalparameter von Patienten in einer Isoliereinheit überwachen und Infusionspumpen und andere Geräte steuern zu können, ist ein besonders überzeugendes Beispiel für die enorme Innovationskraft, die in einer intelligenten Vernetzung von Technik steckt.
In einer Umfrage über den Bedarf und den Nutzen von Digitalisierungslösungen in der Medizintechnik erhielt dieser Use Case von allen Studienteilnehmern – in Pandemiezeiten nicht völlig unerwartet - die größte Zustimmung. Das Beispiel zeigt: Technik, insbesondere Medizintechnik, muss künftig als interoperables und offenes Gesamtsystem für die Lösung medizinischer, pflegerischer sowie technischer Aufgaben und nicht als Einzelprodukt oder Insellösung mit herstellerspezifischen Protokollen gedacht werden. Um bei der Zusammenstellung dieser Systeme nicht an einen Hersteller, der alles aus einer Hand bietet, gebunden zu sein, sondern die jeweils besten und günstigsten Geräte frei kombinieren zu können, brauchen Medizinprodukte einheitliche Schnittstellen.
Standards für den Austausch von Gesundheitsdaten
SDC sei aktuell dabei, sich als allgemein anerkannter Standard für das Internet der Dinge (IoT) zu etablieren, prognostizierte Dr. Klaas Rackebrandt beim FKT-Online-Seminar „Interoperabilität als Treiber der Entwicklung in der Medizintechnik“. Ähnlich wie DICOM und HL7FHIR für Datendurchgängigkeit in der Verwaltungswelt stehen, werde SDC den Weg für den Austausch in der technischen Welt ebnen. Wichtig für eine digitale Zukunft sei es, Brücken zwischen diesen Standards zu schlagen. Daten aus medizintechnischen Geräten müssen auch in die Verwaltung übertragen werden können und umgekehrt. „Diese Welten müssen sich treffen. Wir brauchen generell standardisierte Protokolle für den Austausch von Gesundheitsdaten“, so Rackebrandt.
„Augenblicklich ist Interoperabilität in der Medizintechnik jedoch ein praktisch nicht vorhandenes Kriterium. Man erzeugt jede Menge Daten, bekommt diese aber nur schwer verfügbar gemacht und ausgetauscht. Das erzeugt enorme Hürden für echte Innovation. Ziel muss es sein, Daten in Echtzeit auszutauschen und Geräte auch (fern-)steuern zu können beziehungsweise über Regelkreise interagieren zu lassen“, führte der Team Leader Product & Service Innovation bei der Hamburger Unity AG weiter aus. Eine automatisierte und rechtssichere Dokumentation der Abläufe eines Gerätes gebe es augenblicklich nur in Einzellösungen. Mit entsprechenden Schnittstellen und künstlicher Intelligenz könnten diese Daten genutzt werden, um neue Lösungen nicht zuletzt für die Pflegeautomatisierung zu ermöglichen. Zum Beispiel für den eingangs beschriebenen Use Case auf der Isolierstation, der das Personal in den Covid-19-Stationen enorm entlasten könnte.
Völlig neue Geschäftsmodelle
Rackebrandt sieht damit völlig neue Geschäftsmodelle entstehen und Fortschritt, der Krankenhäuser einen echten Mehrwert bietet. Die Netzwerkumgebung zur Verfügung zu stellen, in die Medizingeräte als Komponenten nur noch eingebunden werden müssen – Stichwort: Plug an Play – könnte zum Beispiel ein neues Tätigkeitsfeld werden. Medizintechnikhersteller müssten sich künftig außerdem ganz andere Gedanken machen: Ob sich ihre Geräte in ein stimmiges Gesamtsystem zur Lösung einer bestimmten Aufgabe einbinden lassen, werde zentrales Auswahlkriterium sein. Dazu müssen sie sich fragen, welche Informationen sie im Netzwerk zur Verfügung stellen, welche Funktionen von außen angesteuert werden können und wie sich das sicher bewerkstelligen lässt. Haftungsfragen schlüssig den verschiedenen Teilnehmern des Systems zuzuordnen werde ein weiteres wichtiges Thema sein, das es schnell geklärt werden sollte.
Wertschöpfung durch Technik
Benefits interoperabler Medizinprodukten sehen die Teilnehmer der eingangs zitierten Umfrage in erster Linie in einer erhöhten Patientensicherheit, gesteigerter Effizienz, verbesserten Arbeitsbedingungen und einer nochmal deutlichen Verbesserung der technischen Möglichkeiten an sich. Auch für Predictive Maintenance lassen sich die Gerätedaten nutzen - ein Use Case, den die 230 Umfrageteilnehmer allerding nicht hoch bewerteten. Das jedoch mag der Tatsache geschuldet sein, dass kaum Medizintechniker darunter waren. Einsatzgebiete für interagierende Medizintechniklösungen sahen sie neben der Intensivstation - hier vor allem in Isolationsräumen - auch im OP, in der Notaufnahme sowie auch auf der Allgemeinstation.
Maria Thalmayr
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