Transformation in die Klimaneutralität – Investieren, um zu profitieren

Nur rund 10 Prozent aller Krankenhäuser haben aktuell einen Fahrplan in Richtung Klimaneutralität. Die große Mehrheit spart punktuell. Wenn gerade ein Budget für Technik abfällt.  Der Klimaschutz im Gesundheitswesen krankt weniger am Bewusstsein als am Geld.

Die sprichwörtliche Katze beißt sich damit jedoch zunehmend in den eigenen Schwanz. Denn: Steigende Energiekosten fressen weiter Mittel, die für innovative Technologien besser angelegt wären: Um damit nachhaltig Energie und Energiekosten zu sparen. Dazu kommt: Wenn Krankenhäuser nicht zügig in ihre Nachhaltigkeit (Stichwort ESG) investieren, werden sie künftig nur noch teure oder überhaupt keine Kredite mehr bekommen (Stichwort Taxonomie). Handlungsfähigkeit und Innovationskraft des Gesundheitswesens werden damit weiter gelähmt. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Von der Energie-Vision zur Realität“ im Rahmen der diesjährigen Fachtagung Technik im Gesundheitswesen mahnten zur Eile. „Wenn mit der ab 2026 für die meisten Krankenhäuser greifenden Nachhaltigkeitsberichtpflicht alle gleichzeitig damit beginnen, ihre Hausaufgaben machen, könnte es schwierig werden, Firmen zu finden, die entsprechende Maßnahmen umsetzen“, mahnte Dr. Matthias Albrecht von der Deutschen Allianz Klimawandel im Gesundheitswesen e.V. (KLUG).

Eine Baustelle der Technik

Natürlich gibt es, wie Battal Höke von REM Capital ausführte, eine schier unüberblickbare Fülle an öffentlichen Fördertöpfen für Klimaschutzmaßnahmen. „Einen nicht unerheblichen Teil dafür erforderlicher Investitionen müssen Träger und Betreiber in der aktuell finanziell sehr angespannten Situation jedoch immer noch selbst stemmen. Dass dem Klinikfinanzchef bei der Verteilung knapper Mittel das Patientenzimmer oder der Untersuchungsraum näher sind als der Maschinenraum, mag man ihm nicht einmal verdenken“, räumte der Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Krankenhaustechnik (WGKT) und Diskussionsleiter Cord Brüning ein. An dieser Stelle appelliert er an die Technischen Leiter: „Wer, wenn nicht Sie, könnte den Klimawandel im Krankenhaus entscheidend vorantreiben. Hohe Energiekosten, die immer spürbarer werdenden Folgen des Klimawandels und die politische Gesinnung geben ihnen Rückenwind. Werden Sie nicht müde, Ihre Projekte zu platzieren, denn nahezu alle sind letztlich wirtschaftlich! Sie kennen die Möglichkeiten.“ 

Ihr Nutzungsenergiemix prädestiniert Kliniken für Sektorenkopplung

„Betrachten Sie die Aufgabe nicht als Problem, sondern als Asset“, riet in diesem Zusammenhang, der Geschäftsführer der FACT eFacilities Solutions GmbH, Klaus Ege, „und verkaufen Sie Ihre Vorhaben als komplette Business Cases, die die Verzinsung der eingesetzten Mittel sowie den Payback sichtbar machen! Denken Sie ganzheitlich! Mit ihrem Nutzenergiemix, der eine Verwertung aller Energieverluste ermöglicht, bieten sich Krankenhäuser hervorragend auch für eine Sektorenkopplung in Quartierslösungen an“, wie Ege anhand eines im Klinikum Osnabrück durchgeführten Praxisbeispiels eindrucksvoll ausführte. Eine als Erlöserzeuger und nicht wie sonst üblich als Kostenfresser ausgelegte Energiezentrale generiert, puffert und verteilt hier die im Krankenhaus und im umliegenden Quartier benötigten Energieformen effizient und kostenoptimiert. „Gerade auch im Zuge der kommunalen Wärmeplanung werden Modelle wie diese Schule machen. Je mehr regenerative Energie zum Einsatz kommt und je mehr Elektrizität zum universellen Energieträger wird, umso bedeutsamer werden auch geeignete Speichermöglichkeiten“, betonte der Energievisionär.

Klimaneutralität ist wirtschaftlich

„Sie brauchen einen schlüssigen Fahrplan in Richtung Klimaneutralität“, appellierte auch der Geschäftsführer der Limón GmbH, Prof. Dr.-Ing. Mark Junge, an das Auditorium. „Um diese Aufgabe kommen Sie nicht herum, und je eher Sie sie angehen, umso leichter ist die Umsetzung. Der Klimawandel ist da, immer neue Regularien und steigende Energiekosten erhöhen den Handlungsdruck.“ Auch Junge demonstrierte anhand eines Beispiels aus der Praxis, dass Klimaneutralität im Krankenhaus durchaus wirtschaftlich darstellbar ist, und verwies auf Fördermittel, die auch die Erstellung eines Transformationsfahrplans großzügig unterstützen. Der müsse übrigens nicht, wie vielfach befürchtet, eins zu ein umgesetzt werden. „Diese Konzepte leben und sollten in der Umsetzungsphase kontinuierlich an aktuelle Gegebenheiten und auch neue Technologien angepasst werden.“ Dass der zu erwartende Payback nicht in einem oder zwei Jahren, sondern vielleicht erst in 10 Jahren erfolgt, sollte jedoch allen Beteiligten bewusst sein. 

Fördermittel als Finanzierungsmodell sollten bei alledem frühzeitig und möglichst ganzheitlich Teil der Überlegung sein, so Höke, ebenso wie alternative Finanzierungsmodelle wie Contracting. Brüning ergänzt: Die Technik müsse hier raus aus ihrem Image des Kostenverursachers hin zum kompetenten Partner der Geschäftsführung für nachhaltige Wirtschaftlichkeit. Sein konkreter Tipp ist, bei Projekten nicht nur die Kosten darzustellen, sondern in lohnenden Business Cases vor allem die Einsparungen angesichts zukünftig weiter steigender Energiepreisen hervorzuheben.

Nehmen Sie alle mit!

Zu ganzheitlichem Denken forderte abschließend auch Albrecht auf. Der CO2-Footprint einer Klinik werde nämlich nicht nur im „Maschinenraum“, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil durch das Kerngeschäft verursacht. Die Nutzung von Medizinprodukten, Medikamenten oder gerade auch von Narkosegasen sowie anderer Verbrauchsgüter trägt im Scope 3 einen Löwenanteil von 60 bis 75 Prozent zur CO2-Bilanz einer Klinik bei. Auf klimafreundliche Produkte zu achten, zum Beispiel kein Desfluran in der Anästhesie mehr einzusetzen oder bei Asthma Pulverinhalatoren zu verwenden, MRT-Untersuchungen nicht inflationär durchzuführen und beim Einkauf von Medizingeräten auf deren Verbrauch zu achten sowie viele andere Maßnahmen tragen erheblich zu Reduzierung des Carbon-Footprints einer Klinik bei. Alle Prozesse müssten dahingehend durchleuchtet und optimiert, alle Beteiligten mitgenommen werden.  Blaupausen gebe es dafür bereits zahlreich. Kliniken sollten sich dazu vermehrt austauschen. 

Viele der erforderlichen Maßnahmen verursachen vor dem angestrebten Return on Invest jedoch erst einmal Kosten. Hier ist auch die Politik gefordert, energiesparende Investitionen in Krankenhäusern entsprechend, wenn nötig vollumfänglich, zu fördern, denn nur dann wird der CO2-Reduzierungsbeitrag der Krankenhäuser gelingen. FKT-Mitgliedern steht eine Aufzeichnung der inspirierenden und vielseitigen Podiums-Diskussion auf der Wissensdatenbank Technik im Gesundheitswesen zur Verfügung.

Maria Thalmay