Ein Ende der EEG-Umlage? Energieexperten warnen vor Schnellschüssen
Die EEG-Umlage könne ab 2023 vollständig abgeschafft werden, wenn der CO2-Preis im Gegenzug von aktuell 35 auf 60 Euro je Tonne erhöht werde, so die Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende. Die Einsparungen aus der EEG-Umlage würden jedoch die CO2-Mehrkosten nicht im Ansatz kompensieren, warnt der Leiter des FKT-Forums Klinikenergie, Sebastian Igel. Die Debatte zur EEG-Umlage bedürfe einer ganzheitlichen Einordnung.
Aktuell mehren sich die Forderungen nach einer Abschaffung der EEG-Umlage: Die Denkfabrik Agora Energiewende errechnet eine stufenweise Absenkung der EEG-Umlage in den kommenden Jahren – und hält eine Absetzung ab 2023 für denkbar. Ein vollständiger Stopp wird indes auch aus den aktuellen Koalitionsverhandlungen zur neuen Bundesregierung kolportiert. Fachleute warnen aber vor politischen Schnellschüssen und halten das bestehende System weiterhin für zielführend.
Entgegen vieler Prognosen sind die Strompreise im ablaufenden Jahr auf ein hohes Niveau gestiegen. Die Gründe dafür sind vielschichtig:
- Der Gaspreis ist massiv gestiegen (auf über 150 Euro je MWh).
- Die CO₂-Bepreisung erhöht die Energiekosten zusätzlich.
- Die wachsende Nachfrage einer anziehenden Wirtschaftsentwicklung erhöht den Energiepreis deutlich.
- Die Einspeisung aus Sonnen- und Windenergie war geringer als in den Vorjahren.
Die Höhe der EEG-Umlage ist maßgeblich an den Börsenpreis gekoppelt. Durch den hohen Strompreis sinkt die EEG-Umlage von derzeit 6,5 ct/kWh ab Januar 2022 auf 3,723 ct/kWh. Nach Berechnungen von Agora Energiewende könnte die EEG-Umlage ab 2023 sogar vollständig abgeschafft werden, wenn der CO2-Preis im Brennstoffemissionshandelsgesetz von aktuell 35 auf 60 Euro je Tonne erhöht werde. Mit Mehreinnahmen aus dem Brennstoffemissionshandel könnten ärmere Haushalte unterstützt und in weitere Klimaschutzmaßnahmen investiert werden, so der Plan.
Sebastian Igel, Energierechtsexperte und Leiter des Forums Klinikenergie der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT), erkennt hingegen Schwachstellen in diesem Rechenspiel: „Eine Anhebung der CO2-Zertifikatepreise von 35 auf 60 Euro für Heizen und Verkehr würde die deutsche (Gesundheits-)Wirtschaft zu stark belasten, die ja nicht nur Strom, sondern auch Erdgas, Benzin, Diesel und Heizöl zum Leben braucht. Gleiches gilt natürlich für die privaten Energieverbraucher.“ Die Einsparungen im Bereich EEG-Umlage würden die CO2-Mehrkosten nicht im Ansatz kompensieren, so der Fachmann aus Hannover. Auch ein massiver Ausbau von Wärmepumpen und E-Mobilität, wie von Agora vorgeschlagen, macht klimapolitisch seines Erachtens nur Sinn, wenn der hierfür benötigte Strom überwiegend aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. „Anstatt die EEG-Umlage abzuschaffen, sollte deshalb ein massiver Ausbauschub im Bereich von EE-Anlagen erfolgen.“
Zurückliegende Jahre nicht genutzt
Dem Ausbau im Bereich EE-Anlagen stehe ein derzeit schleppender, aber dringend notwendiger Netzausbau entgegen – selbst wenn genügend EE-Strom erzeugt werde, gelange dieser nicht in ausreichendem Maße zu den Verbrauchern. „Doch auch, wenn wir die erforderlichen Höchstspannungstrassen von Nord nach Süd schon hätten“, so Igel weiter, „wäre zusätzlich ein massiver Ausbau der städtischen Stromnetze erforderlich, die derzeit ebenfalls nicht ausreichend dimensioniert sind, um auch die für Heizen und Mobilität erforderliche elektrische Energie zu transportieren.“ Es reiche nicht aus, heute Wünschenswertes für übermorgen zu formulieren, solange die Hausaufgaben von gestern nicht erledigt seien, moniert der Vorstand der Energie Admin AG. „Die letzten acht Jahre hat die Bundesregierung damit verplempert, mit immer komplexeren Regeln jede noch so geringe Strommenge dem EEG-Wälzungsmechanismus zuzuführen. Für den Aufbau der hierfür erforderlichen Messtechnik wurden hunderte Millionen Euro von der deutschen Wirtschaft aufgewandt. Es kann bezweifelt werden, dass auf diesem Wegnennenswerte Mehreinnahmen für den EEG-Topf erzielt wurden. Stattdessen wird durch den dafür erforderlichen Aufwand der dringend erforderliche Aufbau kleinteiliger Energieversorgungskonzepte behindert und die Energiewende massiv ausgebremst“, erklärt Sebastian Igel.
Mehr Strom aus EE-Anlagen
Wichtiger als die kleinteilige Erfassung jeder (eigen-)erzeugten Kilowattstunde sei es insgesamt, mehr Strom mittels erneuerbarer Energien zu erzeugen. Irgendwo müsse der Strom für E-Mobilität und E-Heizen schließlich herkommen. „Wir brauchen mehr EE-Strom“, fordert Sebastian Igel deshalb und schlägt vor: „Wer Strom mittels erneuerbarer Energien erzeugt, zahlt keine EEG-Umlage auf den eigenen Stromverbrauch und auch nicht im Falle von Drittbelieferungen in einem Umkreis von fünf Kilometern. Eine ähnliche Regelung gibt es im Stromsteuergesetz. Das würde den Aufbau lokaler Energiekonzepte massiv beschleunigen und zu einer Entlastung der Überlandstromnetze beitragen.“ Die Finanzierungssicherheit solcher Anlagen ergebe sich schlicht daraus, dass der Strom einen finanzierungssichernden Marktwert hat und bei Entfall der EEG-Umlage rund 5 ct/kWh eingespart werden.
Marktrahmen neu ordnen
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) sieht keinen Anlass, aufgrund der temporären Effekte voreilige Schlüsse zu ziehen und warnt vor politischen Schnellschüssen. „Die meisten Sondereffekte dieses Jahres werden sich in den nächsten Monaten wieder verändern“, prognostiziert BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter in einer Stellungnahme auf der BBE-Homepage. Statt voreiliger Entscheidungen brauche es jetzt einen Gesamtblick auf den Strommarkt und eine Neuordnung des Marktrahmens. Zwar ermöglichen die aktuellen Effekte potenziell eine starke Reduzierung der EEG-Umlage, allerdings werden diese nicht lange anhalten. „Wir erwarten, dass die Differenzkosten zunächst weiter steigen und nicht allein aus CO2-Einnahmen aus dem Wärme- und Verkehrssektor gedeckt werden können, wenn diese gleichzeitig für den sozialen Ausgleich genutzt werden sollen. Gleichzeitig braucht es für den notwendigen Zubau Erneuerbarer Kapazitäten eine sichere Finanzierung. Solange es keinen neuen Marktrahmen gibt, der diese Finanzierung von Investitionen ermöglicht, ist der Mechanismus des EEG weiter erforderlich“, so Peter weiter. In diesem Sinne bedürfe die Debatte zur EEG-Umlage einer ganzheitlichen Einordnung: Ein neues Marktdesign und eine Überarbeitung der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich werden den dringend benötigten Flexibilitätsbedarf sowie die Umsetzung der Sektorenkopplung für eine erfolgreiche Energiewende realisieren.
Ingo Schmidt