Die MDR in der Praxis – Produktsicherheit auf die Spitze getrieben

Die MDR sorgt aktuell in vielen Unternehmen für ordentlichen Mehraufwand. Zwei erkenntnisreiche Jahre lang waren bei Discher Technik zweieinhalb Mitarbeiter (von 50 insgesamt) voll und ganz damit ausgelastet, das neue Label zu erwerben. Ihre Erfahrungen vermitteln einen Eindruck davon, was die Verordnung für einschlägige Hersteller bedeutet.

„Die Anforderungen zur Erfüllung der Forderungen der MDR (VO (EU) 2017/745) sind enorm. Die damit einhergehenden Aufwendungen können die meisten Hersteller von Medizinprodukten nicht einfach abdecken und müssen diese an den Kunden beziehungsweise Betreiber weiterreichen. Geht gar nicht anders“, sagen Anja und Olaf Discher, die - stellvertretend für viele andere - ihren Kunden und Partnern einfach auch mal mitteilen möchten, was da im Moment hinter den Kulissen des Medizintechnikbetriebs passiert: Produktsicherheit auf die Spitze getrieben, so umschreiben sie, was sie während der Neuzertifizierung ihrer Steckbeckenreinigungsgeräte erlebten. Wobei die langjährigen Fördermitglieder der FKT das durchaus im positiven Sinne meinen:

Nachweislich sehr sichere Produkte

Medizin-Produkte schon jetzt nach MDR auszuschreiben, gewährleiste, dass Anwender nachweislich zukunfts- und rechtssichere Produkte erhalten. Im Sinne der Betreiberverantwortung sei das nicht unerheblich: MDR-zertifizierte Produkte entsprechen dem neuesten Stand der regulatorischen Anforderungen. Eine MDR-Zertifizierung gibt Betreibern außerdem die Sicherheit, dass das Medizinprodukt weiter auf dem Markt verfügbar ist, was Planungssicherheit schafft. Auch der Ersatzteilkauf und eine Wartung durch den Hersteller sind so gesichert.

Anja Discher, die sich für die Umsetzung der MDR zur PRRC (Person Responsibel for Regulatory Compliance) fortgebildet hat, ist überzeugt: „Jedes Audit – und die sind wirklich aufwendig – steht für Produkt- und Organisationsverbesserungen. Da bei den jährlichen Terminen immer wechselnde Prozesse durchleuchtet werden, leitet die Umsetzung der MDR einen permanenten Verbesserungsprozess ein. Das beginnt mit den Projekten zur Weiterentwicklung, der Auswahl der Produktions- und Prüfmittel für die Herstellung, dem Risikomanagement sowie der technischen Dokumentation und endet bei der Gebrauchsanweisung oder den Vorgaben für die Entsorgung unserer Geräte. Sehr viel aufwendiger als früher gestalten sich mit der neuen europäischen Medizinprodukte-Verordnung vor allem die Klinische Bewertung, das Risikomanagement und die Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS).“ Man müsse sich dazu sehr viel intensiver mit seinem Produkt befassen, dessen Sicherheit und Wirksamkeit über dessen kompletten Lebenszyklus auf mögliche Gefahren hin nachweisen und bewerten. Großes Augenmerk kommt dabei nicht zuletzt der Mensch-Maschinen-Interaktion (Gebrauchstauglichkeit) und dem Einsatzumfeld der Geräte zu - Aspekte, die bisher nicht so zum Tragen kamen. Insofern könne man durchaus davon ausgehen, dass die MDR der Medizintechnik einen deutlichen Innovationspush in Richtung Sicherheit verpasst und die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Anwendern intensiviert.

Auf die Gültigkeit von Zertifikaten achten

Vor allem auch die UDI (Unique Device Identification), die eine klare Rückverfolgbarkeit eines Gerätes ermöglicht, könne dazu beitragen, dass Geräte, die in der Anwendung Risiken aufweisen, schnell vom Markt genommen werden können. „Sehen Sie sich bei der Beschaffung neuer Medizinprodukte und deren Zubehör die Zertifikate dennoch immer ganz genau an. Sie können abgelaufen sein oder für einen anderen Gerätetyp gelten. Achten Sie deshalb auf deren Gültigkeit und den Gültigkeitsbereich (Scope)! Das ist wichtig für Ihre Betreibersicherheit“, sagt Olaf Discher.

Gerade in der Zukunft könnte das wichtig werden. Denn: So mancher Hersteller wird es nicht schaffen, seine Produkte rechtzeitig bis zum Ende des Übergangszeitraums 2028 (je nach Risikoklasse) nach MDR zu zertifizieren. Diverse Aufschübe verschafften den Betroffenen zwar ein wenig Luft, dennoch bleiben die Vorgaben sportlich und wie eingangs beschrieben sehr aufwendig.

So werden auf absehbare Zeit viele nützliche Medizinprodukte vom Markt verschwinden oder gar nie dort auftauchen – ein klarer Innovations- und Wettbewerbsdämpfer. „Jene Hersteller, die die Zertifizierung schaffen, werden aber nachweislich besser.“  Die Dischers sind erst mal glücklich, dass sie es gewuppt haben, und im Nachhinein insgesamt durchaus angetan von dem neuen Regelwerk: „Da die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration) und die MDR gleiche Ziele und Aufgaben haben, erleichtere eine MDR-Zertifikation auch den Technologietransfer“, schließt Olaf Discher. Der Unternehmer aus Haan ist sich aber durchaus bewusst, dass die unvermeidlichen, durch die MDR entstehenden und umgelegten Mehrkosten das Gesundheitssystem zur Unzeit treffen.

Maria Thalmayr

Bild von Discher