Blackout-Vorsorge – Nur ein Schwarzschalttest zeigt, wo es im Ernstfall hakt

Rechtfertigt der Erkenntnisgewinn die Risiken, die mit einem so genannten Schwarzschalttest einhergehen? „Unbedingt“, meinen die, die es bereits gewagt haben. Was viele nicht wissen: Schwarzschalttests sind laut DIN VDE 0100-710 (VDE 0100-710):2012-10 normativ vorgeschrieben.

Die Norm fordert zusätzlich zu den monatlichen Probeläufen – dabei läuft das Notstromaggregat im Parallelbetrieb mit dem öffentlichen Netz, so dass für den Nutzer keine Unterbrechung spürbar ist – alle 12 Monate einen 60-minütigen Funktionstest der Umschalteinrichtungen. Das sei nichts anderes als ein Schwarzschalttest, bei dem die Klinik komplett von der Netzversorgung getrennt wird, betont Thomas Flügel, langjähriger Technischer Leiter der Berliner Charité und Leiter des FKT-Referates Elektrische Anlagen. Aus Angst vor den möglichen Auswirkungen auf sensible Anlagen und Geräte sowie den laufenden Krankenhausbetrieb werde diese Forderung von vielen Krankenhausbetreibern ignoriert. Doch: Nur eine Simulation des Ernstfalls detektiere Schwachstellen und bereite die Mitarbeitenden auf diese Situation vor.

Blackout-Simulation in Kainbach

Um optimal auf einen möglichen Blackout vorbereitet zu sein, wurde am Standort Kainbach der Barmherzigen Brüder in Österreich, zu dem die Lebenswelten Steiermark für Menschen mit intellektueller, psychischer oder mehrfacher Beeinträchtigung und die Therapiestation für Drogenkranke WALKABOUT gehören, vor Kurzem ein Blackout simuliert. Albin Knauder, selbständiger Gefahrgut-, Abfall- und Umweltberater sowie Umweltbeauftragter der Barmherzigen Brüder Österreich und Daniel Kreuzer, Leiter Bau, FM und Medizintechnik bei den Barmherzigen Brüdern Österreich, haben das Projekt geleitet und gingen dabei weit über den rein technischen Schwarzschalttest hinaus. Vielmehr haben sie den gesamten Betrieb dahingehend ertüchtigt, bei einem Ausfall der Netzversorgung zuverlässig weiter zu funktionieren und einen soliden Mangelbetrieb aufrecht zu erhalten.

Sorgfältige Zustandserhebung im Vorfeld

In einem interdisziplinären Projektteam nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus Pflege, Technik, Management, Ärzteschaft, IT, QM, Küche und der der Organisation angeschlossenen Landwirtschaft gedanklich vorweg, was passiert, wenn kein Strom aus dem Netz zur Verfügung steht. Sie überlegten, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um den Betrieb dennoch aufrecht zu erhalten – jeder aus seinem speziellen Blickwinkel und für seinen Bereich. Bei dieser Zustandserhebung zu den Komplexen Energieversorgung, Entsorgung, Kommunikation, Sicherheitstechnik, Transporte, Versorgung, Pflege und Infrastruktur, Personalbedarf, Sicherheit und Organisation wurde im Vorfeld schon so manche entdeckte Schwachstelle beseitigt. „Zum Beispiel stellte sich heraus, dass Geräte nicht an die Notstromversorgung angeschlossen waren, von denen man dachte, sie wären es“, berichtet Knauder. So wurde die Notwendigkeit einer Notstromversorgung für die gesamte Technik nochmals neu hinterfragt. Um nicht zuletzt den Pasteurisator der Molkerei mit Notstrom versorgen zu können, wurde in diesem Zug zusätzlich zu den bereits vorhandenen ein drittes Notstromaggregat beschafft und tausende Meter Kabel neu verlegt.

Vorhandenes Know-how ausgeschöpft

Positiv überrascht wurden Knauder und Kreuzer vom Engagement, den vielen guten Ideen und der Weitsicht, mit der die Beteiligten ihre Checklisten abarbeiteten. „In diesem Transformationsprozess von theoretischen Checklisten hin zum Ernstfall – jeder wusste ja, dass der für kurze Zeit tatsächlich eintreten würde – hat sich gezeigt, wie wichtig und lehrreich dieses Üben für uns alle war“, sagt Kreuzer. Hatte schon die Vorbereitung darauf unzählige Nachbesserungen ermöglicht, hielt auch die 120-minütige Blackout-Simulation noch den einen oder anderen Aha-Effekt bereit: Geräte waren nicht an die richtigen farblich gekennzeichneten Steckdosen für die Notstromversorgung angeschlossen, bei einem IT-System mussten Zugangscodes aktualisiert werden und es stellte sich heraus, dass Sammeldurchsagen durch Interferenzen in den Lautsprechern unverständlich waren - alles Mängel, die sich relativ leicht beheben ließen.

„Da wir komplett auf das Wissen unserer Mitarbeiter gesetzt haben, hielt sich der Aufwand für dieses „Manöver“ in Grenzen“, berichtet Kreuzer weiter. Sechs erforderliche Projektsitzungen und der Zeitaufwand für die Zustandserhebung konnten auf die sogenannten „Eh-da-Konten“ verbucht werden. Das neue Aggregat wäre ohnehin erforderlich geworden. 15.000 Euro wurden in ein neues Funksystem für die Kommunikation im Krisenfall sowie aufgestockte Lager investiert. Die Apotheke bevorratet nun mehr Medikamente. Die Küche hat ein Notlager mit haltbaren Lebensmitteln bestückt, um im Ernstfall autark kochen und zumindest eine Mangelversorgung aufrecht erhalten zu können. Die Wohngruppen wurden ferner mit Einweggeschirr ausgestattet, das bei einem Stromausfall das Mehrweggeschirr ersetzt. Kein Problem stellt in Kainbach die Dieselversorgung dar. Die angegliederte Landwirtschaft verfügt über einen 20.000 Liter-Diesel-Tank, der an die Notstromversorgung angeschlossen ist.

An der Charité wird monatlich schwarzgeschaltet

„Aus einer technischen Notwendigkeit heraus wird die Berliner Charité jeden ersten Montag im Monat schwarzgeschaltet. Das geschieht zum Schichtwechsel am Abend, so dass doppelt Personal im Haus ist. Es soll mir also niemand sagen, dass das medizinisch oder technisch nicht geht“, sagt Flügel. „Und wie auch das Beispiel aus Kainbach zeigt, gibt es dabei immer eine Menge zu lernen. Es gibt immer Stationen, in denen die Kaffeemaschine und nicht das Beatmungsgerät in der Steckdose für die Notstromversorgung hängt. Dazu kommt: Die Mitarbeitenden lernen das Arbeiten im Notbetrieb als Normalität anzunehmen, vom Brummen des Notstromaggregats bis hin zur schummrigen Beleuchtung. Dass diese Schwarzschalttests in enger Absprache mit dem medizinischen Betrieb stattfinden müssen, versteht sich von selbst.

Stell Dir vor, die Spannung geht nicht ins Netz

Wie wichtig Schwarzschalttests sind, kann auch der Präsident der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT), Horst Träger, anhand konkreter Erfahrung berichten: In einer renommierten Universitätsklinik mit 21 Aggregaten sprangen diese bei einem solchen Test zwar problemlos an, das Netz hat die Spannung jedoch nicht übernommen. Bis der Fehler behoben war gingen 15 Minuten ins Land, in denen die Batterien für die Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) leerliefen, so dass die komplette EDV abstürzte und die Klinik von der Außenwelt abgeschnitten war. Klar waren die Auswirkungen in diesem Fall drastisch, räumt Träger ein. Die Schwachstelle unter kontrollierten Übungsbedingungen aufzudecken war dennoch wichtig. Flügel erörtert dazu: „Nach neuestem Stand der Technik, müssten die Batterien der USV eine Zeit von 60 Minuten überbrücken können, wenn ihnen ein Notstromaggregat vorgeschaltet ist. Ist ihnen kein Notstromaggregat vorgeschaltet, dann müssen sie sogar drei Stunden versorgen können. Die 15 Minuten Reparaturzeit wären damit kein Problem gewesen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass das IT-Zentrum als sicherheitsrelevante Einrichtung zum Patientenschutz eingestuft ist. In vielen Krankenhäusern ist das bisher nicht der Fall. Im Zuge der Digitalisierung werden jetzt aber mehr und mehr Patientendaten und Funktionen direkt über die IT gesteuert. Damit werden die IT-Zentren zu großen sicherheitsrelevanten Einrichtungen mit Blick auf den Patienten.“

Maria Thalmayr

Blackout-Vorsorgeliste Krankenhaus

Einen Blackout regelmäßig gedanklich durchzuspielen und zu üben, ist ein wichtiger Aspekt in der Vorsorge auf dieses Szenario. Weitere wichtige Maßnahmen für die Vorbereitung auf einen länger anhaltenden Stromausfall finden Sie in der Blackout-Vorsorge-Checkliste Krankenhaus der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT).